SÜDFENSTER ST NIKOLAI PRITZWALK

1. Platz

farbige Glasfenster mit thermischer Verformung

Neugestaltung der Südfensters der St. Nikolaikirche in Pritzwalk (Brandenburg)

Nichtöffentlicher einphasiger Wettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren

Auftraggeber: Kirchengemeinde St. Nikolai Pritzwalk

2023/ 2024

Südfenster: ca. 225 x 830 cm

Finanzieller Rahmen: 100 000 €

Partner: Glasstudio Peters Paderborn


945 wurde das ursprüngliche Südfenster des St. Nikolaikirche in Pritzwalk durch eine Explosion eines Munitionszuges zerstört und in Folge vermauert. Mit der Neugestaltung des 2m x 8m großen Fensters sollte dieses Thema der Kriegswunde aufgegriffen werden, aber zugleich den Friedens- und Hoffnungsgedanken in den Vordergrund stellen. So entwarf die Künstlerin Dana Meyer in ihrer Glasgestaltung das Motiv einer wachsende Linde über einem zerbrochenem Gebälk im Feuer. Um das Anliegen des Friedensfensters zu unterstreichen fügte die Künstlerin dem neuen Südfensters einen Bibelvers als Titel hinzu:
(7)Denn ein Baum hat Hoffnung, auch wenn er abgehauen ist; er kann wieder ausschlagen, und seine Schößlinge bleiben nicht aus. (8)Ob seine Wurzeln in der Erde alt wird, sein Stumpf im Boden erstirbt, (9)so grünt er doch wieder vom Geruch des Wassers und treibt Zweige wie eine junge Pflanze. [Hiob14]


Aus denkmalpflegerischer Sicht sollte dem Kirchenraum eine gleichmäßige Lichtverteilung zurückgegeben werden ohne jedoch einen stilistischen Bruch zur Architektur zu schaffen. So finden sich in dem neuen Südfenster von Dana Meyer in Ausgestaltung und Struktur immer wieder Verweise auf das ehemalige historische Fenster.
Das neue Fenster orientiert sich in Rahmen und innerer Gliederung am alten Maßwerk. Partiell wird die rote Glasumrandung der umliegenden Fenster aufgegriffen und farblose Rechtecke verweisen auf das ursprüngliche Glasmaß.


Das Fenster selbst besteht aus zwei Gestaltungsebenen beziehungsweise zwei hintereinanderliegenden Floatglasscheiben. Zum einen sind da die Außenscheiben, welche mittels Absenkverfahren verformt sind. Zarte Linien lassen einen Weg in einen Raum erkennen und nehmen den Besucher so mit in den Kirchenraum. Dana Meyer gelingt es so die umliegende Fassade in ihrer Lebendigkeit aufgreifen und zugleich bricht sie mir der standardisierten glatten, ja oft sterilen Oberfläche von Glasfenstern. Demgegenüber steht die innere Gestaltungsebene – die Farbebene – mit der Linde über den brennenden Trümmern aus verkohlten und glimmenden Balken. Jene Darstellung der Zerstörung ist dabei bewusst nur aus bestimmten Perspektiven wahrnehmbar – in Gänze dominiert das hoffnungsvolle Grün des Astwerks.
Die Grundtöne Rot und Grün sowie das Motiv der Linde selbst verweisen subtil auf die Farben und Symbolik des Stadtwappens Pritzwalk. Je näher man an das Fenster tritt, umso so mehr löst sich die konkrete Darstellung von Baum und Gebälk zu einem abstrakte Lichtspiel auf. Die Absenkungen der Außenscheibe brechen und zerreißen das Licht auf den Farbflächen, bündeln es an anderer Stelle, lassen es über den Umraum flimmern und tanzen


So ist das neue Südfenster der St. Nikolaikirche in Pritzwalk kein einfacher farbiger Verschluss, welcher vor Wind und Wetter schützt. Im Zusammenspiel von Farbgestaltung und Außenabsenkung ließ die Künstlerin ein dynamisches Spiel mit Licht und Zeit entstehen. Die Intensität der Sonne, das Blattwerk der umliegenden Bäume und die Lichter der Stadt geben dem neuen Fenster einen immerwährenden und gleichzeitig stetig wechselnden An- und Durchblick. Die gelungene Gestaltung öffnet die Kirche nach außen und zugleich wird durch die Lichtfülle der sakrale, historische Raum im Inneren erlebbar. Das neue Fenster eint als zeitgenössische Ergänzung die Epochen der Kirchgemeinde in ihren Glauben an Frieden und setzt ferner ein Zeichen zur Mahnung, Erinnerung und Hoffnung.